"Ihr seid drei Wochen zu früh"
14. Mulde-Regatta mit 550 Teilnehmern:
LVZ-Reporter meistert 21 Kilometer unter schottischer
Flagge
Grimma/Wurzen. 21 Kilometer auf der Mulde von Grimma bis Wurzen.
Acht Stunden paddeln. Solange, wie andere in der Luft von Europa bis Amerika
brauchen. Mit wem verbringe ich diese Zeit? Mit Piraten, die zwei Frösche
gekapert haben? Mit Männern im Hawaiihemd? An Bord des (T)raumschiffs
Surprise mit Pharao, Krankenschwester und Riesenbaby? Oder unter lauter
Kittelschürzen-Putzfrauen, von denen eine dringend einen Mann sucht?
Ich steige bei Männern in karierten Röcken zu, bei Muldentaler
Schotten.
Die Kinder Connor-Graham, Malcolm-William und Niklas sind zwar eher
noch Wurzelzwerge, dafür wagte sich "Commander" Rocco Merker bereits
in die schaurigen Abgründe von Ungeheuer Nessie und werfen Kai "Alf"
Hofmann sowie Mike Annanias demnächst bei den Trebsener Highland Games
mit Baumstämmen. Wer wenn nicht sie sollten mich sicher nach Wurzen
schippern?
Kurz hinter Grimma eine Gartenlaube hoch oben, spektakulär, mitten
im Wald, auf gemauerten Säulen. Und dort: eine Nische aus Bruchsteinen.
Stand darin bis vor kurzem noch eine griechische Statue? Kurz vor Dorna
heißt es Augen zu und durch. Die furchtlosen Schotten trotzen der
Staubwolke, die vom Felde herüber weht. Von weitem sieht der Bahrener
Zahnarzt Joachim Gräfe mit weißem Kittel und Marinemütze
wie ein Geist aus. Der kultige Gottschalk-Cousin rudert uns entgegen und
warnt vor Krokodilen. Die Siedlergemeinschaft Loreley kann er nicht gemeint
haben. Die Familien Schatte, Hennig, Altstädt und Bernsdorf schnappen
nicht zu. Im Gegenteil: Sie sorgen fürs leibliche Wohl der 550 Paddler.
Gratis! Mit Fettbemmen und Schluckis, die sie auf dem zum Tablett umfunktionierten
Ruderblatt servieren.
Am Golzerner Wehr stehen die Nerchauer Feuerwehrmänner Sven und
Steve Kullig in Wathosen bis zum Bauch im Wasser. Sie helfen uns an Land,
beim Tragen des Schlauchbootes packt auch Kamerad Patrick Hirsch mit an.
Ist er es? Er ist es: Radsport-Olympiasieger Jens Lehmann trägt sein
Boot ums Wehr. Und da: Eine Banane auf zwei Beinen kommt aus den Büschen
gehüpft. Es ist Dennis Zimmermann, der sich nach geglücktem Austreten
wieder auf seinem (T)raumschiff Surprise zurück meldet.
Nach dem Einsetzen sitzen wir auf. Wir müssen uns krumm machen.
Ein Witzbold stichelt: "Habt Ihr eigentlich was unter Euren Schottenröcken?"
Commander Rocco hinter vorgehaltener Hand: "So ein Kilt besteht aus bis
zu acht Metern Stoff. Unter dem Gala-Schottenrock trage ich nichts, aber
..." - "Das reicht", stoppt ihn Alf, es seien Kinder an Bord.
"Wir lagen vor Madagaskar" schmettert am Neichener Ufer das "Bluter-Duo",
die genesenen Herzpatienten Bernd Fichtner und Michael Ptak. Auf Höhe
der Ruinen der ehemaligen Papierfabrik in Trebsen entdecken wir Sprossen
wie am Swimmingpool: "Hier stieg der einstige Werkdirektor immer ins Schaumbad",
scherzen die Schotten und gehen am Trebsener Schloss an Land. "Ihr seid
drei Wochen zu früh", empfängt man uns und spielt auf das schottische
Highlight Highland Games vom 14. bis 16. September an.
Bei Nitzschka trotzen wir der Regenhusche mit praktischer Plane - dem
Strudel mit genialem Plan. Unser kleiner Steuermann Malcolm liefert sich
ein Wortgefecht mit der Galionsfigur des Nachbarbootes, die das Feuer per
Spritzpistole eröffnet: "Hier wird nicht geballert, sonst wirft mein
Vater mit Baumstämmen." Das hat gesessen.
In Pausitz grasen Pferde am Wildwest-Ufer und winken wie in Texas Cowboys
aus Unterständen. Von der Loreley bei Ölschütz grüßt
ein Ehepaar. Ein Paddler ruft: "Wer ist Lore und wer ist Ley?" Kurz vor
Wurzen passiert uns Kührens elefantastischer Panzerkreuzer Potemkin
mit Hammer und Sichel und Radioempfang. Die russischen Soldaten Ingo Noack
und Tobias Scheeler im Waffenrock verbrüdern sich mit uns "Schottenröcken".
Am Zielort wird "Kalinka" angestimmt und unser Schotte Alf erkundigt sich
bei den Russen nach den Bundesliga-Ergebnissen. - "Die dürfen doch
kein Westradio hören", wird er zurück gepfiffen. Haig Latchinian
Großer Ansturm: Beim Start in Grimma geht es trotz der rund 550 Teilnehmer geordnet zu.
Beste Bedingungen: Die Sonne scheint, der Rückenwind erleichtert das Paddeln.
Gut gelaunt: Die Schotten mit ihren weiblichen Fans und Redakteur Haig Latchinian (Hose).
Fotos (3): Klaus Peschel
LVZ Muldental 27. August 2012
Impressionen von Nitzschka an der Mulde
Zaunsgäste und Teilnehmer
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an der Verpflegungsstelle auf der Schlossgartenwiese
nach dem Regen
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an der Anlegestelle herschte immer mal Betrieb
von Trebsen nach Wurzen blickend
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